Dieses Sprichwort fällt mir ein, als in der letzten Woche einige ehemalige Waisen von Padre Simons vor den Türen der Schwestern stehen um mit mir über ihre Probleme zu reden. Sie haben alle viele Jahre im Kinderheim gelebt und Pater Simons hat sie auch dann noch weiter unterstützt, nachdem sie das Heim verließen um eine Familie zu gründen. Manchmal bekamen sie eine Kuh, ein kleines Lehmhaus mit Grundstück, Werkzeug oder eine Nähmaschine um ein selbständiges Leben führen zu können.
Doch nun ist Padre nicht mehr da und sie haben gehört, das „Padre’s sister“ oder „Mum from Belgien“ da ist und erhoffen sich Hilfe. Zuerst singen wir für Pater Simons unter dem Baum vorm Schwesternhaus und erzählen über den Tod von Padre. Sie singen kraftvoll, denn mit Padre haben sie täglich christliche Lieder im Heim gesungen. Sie freuen sich sehr über ein Foto von ihrem Padre, dass Raymond für Alle kopiert hat. Dann erzählen sie von ihren Sorgen. Sie haben keinen Job, können die Krankenversicherung (3,- € im Jahr) für ihre 3- bis 5-köpfige Familie nicht bezahlen und sind alle nicht versichert. Ihre Kinder können nicht zur Schule gehen da sie die Schulmaterialien nicht bezahlen können. ( ca 20,- € im Trimester für die Grundschule, 60 bis 80,- € Secondary School)
Glücklicherweise gibt es noch Geld auf unserem Konto und ich kann mit den Kindern und einem Elternteil nächste Woche in die Schule gehen um sie dort anzumelden. Auch die Krankenversicherungskosten hatte Padre immer übernommen und ich kann sie nun für sie einzahlen, wenn sie auf der Krankenstation ihre ID-Nummer hinterlassen. Immer sage ich: Es ist nicht von mir, sondern von Pater Simons Freunde aus Belgien und Deutschland.
Doch ein weiteres Problem ist ihr Beruf. Wie kann ich ihnen helfen das „Fischen zu lernen“ statt ihnen einen „Fisch“ zu geben? Mit sechs jungen Männern besprechen wir uns im Raum der Schwestern und ich frage nach ihrem Berufswunsch.
Zwei der jungen Männer arbeiten zeitweise als Lastenträger und transportieren Säcke mit Reis, Bohnen oder Mais. Sie wünschen sich so sehr ein Lastenfahrrad, das aber für beide unerschwinglich ist. Ein Fahrrad kostet neu 200,- € und gebraucht ca 100,- €. Ich bitte sie sich bis nächste Woche zu erkundigen, ob sie ein gebrauchtes Rad auftreiben können und uns den Preis zu nennen. Zwei junge Männer haben nähen gelernt, doch sie besitzen keine Nähmaschine. Sie kostet auch ca 120,- €.
Gaspard möchte als Friseur arbeiten. Dazu benötigt er eine Haarschneidemaschine. Für ca 45,- €. Alle Kinder haben ganz kurzgeschorene Haare aus hygienischen Gründen.
Musse hat den Wunsch mit Holz zu arbeiten um Möbel, Fenster und Türen zu reparieren oder herzustellen. Das Werkzeug dafür kann er nicht bezahlen.
John Dedieu braucht einen Führerschein um Motortaxi zu fahren. Die meisten Menschen benutzen Motortaxis, wenn sie weitere Entfernungen zurücklegen müssen. Mit einem Moped und Führerschein hat man einen Job. Raymond wird sich erkundigen, was es kostet den Führerschein zu machen.
Sie sind sehr froh und hoffnungsvoll, dass Padre’s Freunde in Belgien und Deutschland ihnen helfen möchten, eine Arbeit zu finden. Wir verabreden uns für nächste Woche um inzwischen alles abzuklären. Am Ende der Besprechung stehen alle Jungs auf und singen mit kräftigen Stimmen einen Dank an Gott, der ihnen hilft.
Ich kann sechs der jungen Männer einen kurzfristigen Job vermitteln, denn eine Company aus Kigali beginnt das Fundament für das Schulessenszelt zu machen. Ich hatte den Manager Peter gefragt, ob er ein paar Männer brauchen kann, die helfen. Am nächsten Morgen um 6:30 Uhr stehen sie arbeitsbereit vor der Schule. Mit Schippe und Picke müssen sie die Gräben für die Grundmauern ausheben und erhalten für diese schwere körperliche Arbeit 1,50 € am Tag. Ich verspreche ihnen noch einen Zuschuss von 2,- € aus unserer Kasse. Sie sind froh, etwas Geld zu verdienen.Und ich bin froh, diesen netten armen jungen Männern und ihren Familien etwas helfen zu können dank der Spenden auf dem Patenkonto. Herr Steinbeck schreibt es ist okay- es gibt noch Reserven!
Dann bin ich froh, mal einige Tage zu dem Verantwortlichen unserer Projekte Jean Claude Buhanga zu fahren, der gemeinsam mit einem anderen jungen Priester ca drei Stunden entfernt von Ruhenzi in einem Bergdorf an der Grenze zu Burundi lebt und für 46.000 Menschen aus der Region als Priester da ist.
So lebe ich drei Tage mit zwei jungen Priestern und erfahre wieder vieles über die Menschen und das Leben in Ruanda. Täglich feiern sie mit den Schwestern aus der Umgebung in der kleinen Kirche im Pfarrhaus die heilige Messe. So viel Messen habe ich lange nicht mehr gefeiert! Normalerweise kommen in der großen Kirche im Ort zu den zwei Sonntagsmessen jeweils 1.500 Menschen zusammen um die Messe zu feiern. Doch wegen Corona darf seit Monaten kein Gottesdienst mehr stattfinden.
Wir machen in seinem Pfarrbüro die Abrechnung der Spenden, die er seit Pater Simons Tod erhalten hatte. Er hat alle Quittungen und Rechnungen sorgfältig aufbewahrt und wir überlegen wie er in Zukunft am Laptop mit einer Exel-Tabelle eine übersichtliche Buchführung machen kann. Alle Quittungen wurden korrekt abgeheftet und die Abrechnung an Herrn Steinbeck vom Komitee gemailt. Er hat noch 4.100,- € übrig gehalten und so gibt es noch Geld für unsere Projekte für die Waisen.
Nächstes Wochenende wollen wir ein Treffen für die Jungs und Mädchen von Cyotomakara organisieren, dazu brauchen Padre’s Erzieher ca 20 Matratzen,(13,- € pro Stück) um in Zukunft mehrmals jährlich eine Gruppe von 20 Waisen zu einem Wochenendtreffen einladen zu können.
Die Benediktinerbrüder (s. Foto), die im ehemaligen Heim von Padre leben, sind nicht sehr offen für die Idee, diese Treffen in ihrem Haus auszurichten. Doch die Schwestern sagen, dass sie gerne die „Familie von Pater Simons“ in ihrem großen Gemeinderaum beherbergen möchten. Die meisten von ihnen haben die ersten fünf Jahre ihres Leben hier bei den Schwestern im Mädchenheim gelebt, auch die Jungs und so fühlen sie sich hier auch zu Hause. So können die Erzieher Theoneste und Raymond den Kontakt mit den Jugendlichen und Kindern halten, die Zeugnisse anschauen, die Schulmaterialien verteilen, über ihre Probleme und Themen zusammen sprechen, singen, die Messe feiern und den Kontakt halten.
Mit Jean Claude besuche ich die große Schule direkt auf dem Kirchengelände. 1.000 Studenten bereiten sich hier darauf vor, Grundschullehrer*Innen zu werden. Fast alle leben internatsmäßig in der Schule und übernachten in großen Schlafsälen mit 40 bis 100 Betten.
Der Chor der Schule „Die Streiter für Jesus“ empfängt mich mit einem wunderschönen kraftvollen Gesang. Ich bin so berührt, das mir die Tränen kommen. Da sie in einer Gemeinschaft zusammen leben und keine Kontakte nach außen haben brauchen sie nicht immer die Masken zu tragen und es ist schön ihre Gesichter beim Singen zu sehen. Ich bin begeistert von ihrer Freude, ihrem Ausdruck und den Stimmen. Dann vermittle ich einige meiner Lieder „Shalama beyta“ „Freedom is coming“ „Epo i tai tai eh“ u. a. und wir haben viel Spaß und Power. Endlich mal wieder singen!
Ich erfahre, dass ca 26 Schüler*Innen, die keine Familie haben, jährlich das Studium aufgeben müssen weil sie die 100,- € Schulkosten pro Trimester nicht bezahlen können. Schon 50,- € Zuschuss im Trimester könnte aber das Studium weiterhin ermöglichen. Die Waisen erhalten keine Unterstützung des Staates. Ich denke, das könnte schon wieder ein neues Projekt, diesmal in Jean Claude’s Gemeinde werden! Oh, stop Alwine!
Sonntagnachmittag machen Jean Claude und ich einen Spaziergang durch die Felder und Berge ,als plötzlich eine starker Regen einsetzt. Nun beginnt hier die Regenzeit. In einer Lehmhütte finden wir Unterschlupf und warten eine Stunde mit einem jungen Mädchen Nadine bis der Regen aufhört. Sie haben immerhin eine Kuh, ein Schwein, zwei Ziegen und vier Hühner, das ist schon sehr viel für eine Familie in Ruanda.
Ich werde morgen wieder von Raymond zu den Schwestern gebracht. Ich werde sie fragen, ob ich noch bleiben kann. Ich fühle mich hier richtig und möchte gar nicht zurück nach Hause in den Winter und ohne meine Arbeit tun zu dürfen.
Hier fühlt sich das Leben so wesentlich, lebendig intensiv und sinnvoll an. Die vielen freundlichen, herzensoffenen Menschen, die Weite und Schönheit der Natur, das Miteinander leben und arbeiten in einer Gemeinschaft mit Frauen, das einfache Leben ohne meinen üblichen Komfort. All diese Erfahrungen sind so wertvoll. Es ist schön, auf diese Weise ein bisschen davon teilen zu können.
Danke für euer Interesse und die Resonanz.
Murabeyo! Bis zum nächsten Mal. Seid behütet!
Alwine
Wöchentliche Berichtserstattung von den Hilfsprojekten in Ruanda
3 Antworten
„Halte dich nicht abgetrennt, separat. Wenn du eine Rose siehst, werde die Rose! Wenn du einen Sonnenuntergang betrachtest, verliere dich darin! Stehe nicht daneben, sei nicht kalt. Bleibe kein Zuschauer, werde zum Teilnehmer. Wenn du zum Himmel voller Sterne aufschaust, werde selbst ein Teil davon, ein kleiner Stern! Aber nimm teil an dem Tanz. „OSHO
Liebe Alwine,
es ist so wunderbar, was du schreibst -über die Menschen, das Land, die Begegnungen, wie Du hilfst, wie Du alles wahrnimmst, wie Du wahrgenommen wirst. Die Fotos und Videos sind beeindruckend.
Ich möchte Dir gern noch etwas Geld schicken, damit Du vor Ort und ungeplant noch etwas helfen kannst. Auf welches Konto kann ich das am besten überweisen?
Sei umarmt von Hannelore
ich bin so ergriffen liebe Alwine,von Deinem „sovollerleben“ Bericht und kann nur sagen „DANKE“ für das alles , was du bewegst!
Sei behütet und beschützt!
Luise