Im August 2018 reisten meine Tochter Julia und ich für einen Monat nach Ruanda um das Waisenhaus von Pater Simons zu besuchen und mit ihm über seine zukünftige Arbeit und das Fortbestehen des Paten-Projektes zu sprechen. Denn ich hörte von großen Veränderungen, dass die Regierung alle Heime schließen will und außerdem ist Pater Simons inzwischen 77 Jahre alt. Als Verantwortliche für mein Patenprojekt, das ich vor 10 Jahren für die Schulausbildung der 130 Waisenkinder initiierte, wollte ich die aktuelle Situation, die neue Entwicklung und Zukunftsperspektive erfahren und den Paten mitteilen. Nach einem 8 stündigen Flug ab Brüssel landeten wir abends in der Hauptstadt Kigali. Am nächsten Tag holte uns Pater Simons und zwei seiner Mitarbeiter, Raimond und Theoneste, mit dem Geländewagen ab.
Die Hauptstadt Kigali hat sich nach meinem letzten Besuch vor 10 Jahren sehr entwickelt, überall sehen wir Hochhäuser, Banken und Geschäftshäuser, ein ausgebautes Straßennetz, viele große Baustellen.
Amerika und China haben in Ruanda investiert und haben viel Einfluss in der Wirtschaft und Politik. Doch daneben fahren wir durch die Viertel mit den Lehmhäusern der Armen. Kigali ist eine Stadt der großen Kontraste. Nach einer zweistündigen Fahrt verlassen wir die ausgebaute Straße und kommen über holprige Pisten vorbei an Hütten und Lehmhäusern in das Tal von Ruhenzi. Überall winken uns die Menschen lachend zu. Im ehemaligem Mädchenwaisenhaus dürfen wir bei den Schwestern übernachten. Neben den sechs afrikanischen Schwestern vom Orden Saint Marie leben hier nur noch zwei behinderte junge Waisen, für die man nach der Heimauflösung keine Familie oder ein neues Heim fand. Außerdem bereiten sich hier acht junge schöne Frauen auf den Eintritt in den Ordnen vor. Sie heißen uns willkommen und tanzen mit uns ihre traditionellen Tänze, sie singen und trommeln mit viel Freude dabei. Wir bringen ihnen ein deutsches Lied bei und haben viel Spaß. Bei den Schwestern fühlen wir uns sehr willkommen und leben mit ihnen insgesamt 14 Tage im kleinen Kloster in Ruhenzi. Wir sind zu ihren täglichen Mahlzeiten eingeladen. Hier erfahren wir viel Interessantes über das Leben in Ruanda.
Am nächsten Tag besuchen wir Pater Simons in Cyotomakara, das Heim, das er vor 29 Jahren aufbaute und in dem er so viele Jahre wirkte. Es kommen uns keine lachenden Kinder entgegen, die Räume sind leer. Gerade vor 7 Tagen wurden alle Kinder und Jugendlichen von Mitarbeiter des Familienministeriums abgeholt.
„Every child a familiy“ (Für jedes Kind eine Familie) ist das neue Konzept für die Die Novizinnen von den Schwestern Saint Marie Waisen, doch Pater Simons fällt es noch schwer diese Entwicklung zu akzeptieren. Er ist traurig wenn er davon spricht wie gerne die Kinder im Heim lebten.
Er ist sich für viele der Kinder nicht sicher, ob die Entwicklung wirklich positiv ist und sie im neuem Zuhause die nötige Unterstützung bekommen. Im nahe liegenden Ort treffen wir einen seiner kleinsten Waisen, der uns sehr traurig begrüßt. „Er hat immer so viel gelacht und war so ein glückliches Kind. Nun sieht er traurig aus.” sagt Pater Simons. Wir treffen auch einen seiner ältesten Waisen, er verkauft auf der Straße selbst gebackene Getreideklöße, um seine achtköpfige Familie zu ernähren. Einige der Waisen, die in der Nähe des Heimes untergebracht sind, kommen, um ihren ‚Padre‘ ihr Zeugnis zu zeigen. Sie haben alle gute Noten und Pater Simons lobt sie, wie es ein Vater tun würde. Sie zeigen ihre Zahlungsaufforderung für das nächste Semester.
Ohne Schulgeld können sie nicht die Schule besuchen. Doch ‚Padre‘ Pater Simons jüngster und einer seiner ersten Waise ist nun nicht mehr für sie zuständig. Die Regierung geht davon aus, dass sie nun mit 16 oder 17 Jahren alleine klarkommen müssen. Doch wie ein Vater es auch tun würde verspricht Pater Simons sie weiter zu unterstützen, soweit er die Möglichkeiten dazu hat. Für ca. 35 jugendliche Waisen, die bei ihm aufgewachsen sind und nun die zur Secondary School gehen, die Berufsfachschulen besuchen sowie für die Studenten an der Uni möchte er in der Zukunft die Studien und Ausbildungskosten bezahlen und ihnen helfen ins Arbeitsleben einzusteigen. Ohne finanzielle Unterstützung müssten sie ihr Studium abbrechen oder könnten nicht ihre Schule beenden.
Wir begleiten einen der Waisen, der bei Pater Simons aufgewachsen ist, bei seiner Arbeit. Damians Mutter wurde im Genozid 1995 zusammen mit zehn weiteren Frauen auf dem Dorfplatz erschossen weil sie eine Tutsi war. Pater Simons wurde hinzugerufen und konnte mehrere Babys von den Rücken der toten Mütter bergen und brachte sie in sein Heim. Einer davon ist Damian. Er wuchs im Kinderheim auf und nach dem Abitur studierte er Wassertechnik. Er ist nun zuständig für die Wasserversorgung der ganzen Region Ruhenzis. Er repariert einen Rohrbruch auf dem Land und die Menschen sind froh wieder fließendes Wasser zu haben.
Sie laufen für Wasser mit ihren Kanistern oft viele Kilometer um an den Brunnen Wasser zu holen. Wir versuchen einen vollen Kanister zu tragen, doch für mich ist es kaum möglich. Schon die kleinen Mädchen haben mehr Kraft als ich. Wir fahren eine Stunde mit Pater Simons in die nächste Stadt Butare, um Geld von der Bank zu holen, doch seine Pension, die er immer für seine Kinder ausgibt, ist noch nicht angekommen.
Er zeigt mir seine Kontoauszüge, er hat noch 5000 RWF auf dem Konto das sind 5,- €. Theoneste, sein Mitarbeiter, leiht ihm etwas Geld um Reis, Brot und Gemüse zu kaufen. Wie gut ist es für Pater Simons in den letzten 10 Jahren gewesen, dass er immer, wenn er Geld brauchte an Herrn Steinbeck schreiben konnte, der die Patengelder ehrenamtlich verwaltet. So funktionierte es viele Jahren wunderbar, weil dank der Paten immer Geld auf dem Spendenkonto des Komitees „Kelmiser in der 3. Welt“ war.
Morgens sitzen wir vor dem Heim und schauen über die große Hügellandschaft in die Weite. Pater Simons hat mit seinen Mitarbeitern einen großen Garten mit vielen exotischen Bäumen und schönen Blumenbeeten angelegt und überall ist es sehr gepflegt. Einer seiner ehemaligen Waisen ist heute sein Gärtner und stellt uns eins seiner Kinder vor und lädt uns in seine Hütte ein.
Täglich stehen einige Frauen mit ihren Kindern vor dem Heim und bitten ihn um Hilfe. Sie bekommen etwas zu essen; eine Tüte Reis oder Bohnen oder die Zusage, dass er die 3,- € für die Krankenversicherung einzahlt oder etwas zum Schulgeld zusteuert. Schon für 3,- € ist jeder in Ruanda krankenversichert. Dann braucht ein Patient nur 200 RWF, das sind nur20 Cent für einen Arztbesuch, für Medizin oder einen Krankenhausaufenthalt zu bezahlen.
Die Menschen sind von ihrem Lebensstandard in vier Kategorien eingeteilt. Für die Allerärmsten in der untersten Kategorie 1 bezahlt die Regierung diese 3,- €. Oft können jedoch die Menschen aus der Kategorie 2 das Geld auch nicht aufbringen, wenn sie viele Kinder haben und den Beitrag für eine große Familie auf einmal erbringen müssen. Dann hilft Pater Simons und bezahlt ihn und sie bekommen ihren Stempel im Krankenversicherungsheft für ein Jahr. Wir rechnen es mal um: Mit meinem Krankenversicherungsbeitrag im Monat könnten in Ruanda mehr als 80 Menschen ein ganzen Jahr krankenversichert sein. Wenn ich einen Kaffee oder ein Bier trinke, wäre von dem Geld ein Jahr lang ein Mensch medizinisch versorgt! Was sind für uns 3 Euro?!
Durch Schwester François lernen wir das kleine Gesundheitszentrum in Ruhenzi kennen. Für 16.000 Menschen in der Umgebung ist diese ambulante Krankenstation Anlaufstelle für alle gesundheitlichen Probleme. Neben der Akutversorgung kümmern sich die Krankenschwestern und Pfleger auch um gesundheitliche Aufklärung, z. B. Ernährung und Hygiene, Aids-Prophylaxe, Impfungen und Schwangerschaftsvorbereitungen.
Bis zu drei Tage kann ein Patient oder eine gebärende Frau im einfachen Krankenzimmer mit mehreren Betten übernachten. Wenn sie aber einen Arzt brauchen oder längere Zeit krank sind, werden sie in das nächst liegende Hospital in Butare eine Stunde entfernt gebracht. Schwester François erzählt von ihren Sorgen und Wünschen. Das Gesundheitszentrum benötigt dringend ein neues Dach um die alten Asbestplatten zu ersetzten. Es würde 20.000 € kosten, doch dafür gibt es zur Zeit kein Geld vom Staat oder von der Kirche. Wir überlegen gemeinsam ob sie einen Zuschuss bei Misereor (ein Hilfswerk für Menschen in Not) beantragen könnten.
Wir werden oft mit der Not und den Bedürfnissen der armen Bevölkerung konfrontiert. Wir wohnen 14 Tage bei den Schwestern in Ruhenzi, an dem Ort wo früher die Waisenmädchen von Pater Simons lebten. Schwester Bernadette ist Schuldirektorin der beiden naheliegenden Schulen Ruhenzis: Der Primary School mit 1.580 Schülern und der Secondary School mit 635 Schülern, dem Kindergarten mit 200 Kindern und insgesamt 45 Lehrern und 10 weiteren Mitarbeitern. Die Kinder kommen aus der weiten Umgebung und haben oft lange Schulwege.
Im Lehrerzimmer der Secondary School stellen sich uns alle Lehrer in weißen Kitteln vor. Sie freuen sich über unseren Besuch und wir erfahren von ihrer Arbeit, ihren Wünschen und Problemen. Hier können die Schüler bis zum Abitur lernen. Haben sie sehr gute Noten werden sie von der Regierung gefördert, um danach ein Studium zu beginnen. Jeder Schüler muss für ein Trimester 141 € Schulgeld bezahlen (für Bücher, Uniform, Lehrerhonorare…). Die Kinder aus den allerärmsten Familien (Kategorie 1) erhalten dafür Unterstützung der Regierung, doch auch Familien aus der Kategorie 2 haben oft Schwierigkeiten dieses Geld zu zahlen. Dann können diese Kinder nicht die Schule besuchen. Pater Simons will auch für einige seiner ehemaligen Waisen in Zukunft dieses Geld bezahlen, da viele von ihnen nun in armen Familien leben.
Wir sehen einen großen Zwiespalt zwischen den wirklichen Bedürfnissen der Schule und den Förderungen der Regierung. So zum Beispiel hat die Regierung, mit einer durch Amerika unterstützten Aktion angeordnet, dass in Zukunft die Schulkinder mit Laptops unterrichtet werden sollen. Schwester Bernadette zeigt uns einen gut verriegelten Schrank mit 200 grünen Minilaptops und einen kleinen Raum mit 20 Laptops für die Jugendlichen. Eine Schulklasse von 50 – 70 Schülern bräuchte eigentlich einen größeren Raum um mit den Laptops zu arbeiten. Und vor allen Dingen benötigten die Lehrer für den Internetzugang einen Router (er kostet 120 €) doch dafür gibt es kein Geld. Schwester Bernadettes erster Wunsch für die Schule ist jedoch die Reparatur der Dächer von zwei Schulhäusern. Pater Simons hat die Klassenräume vor einigen Jahren errichten lassen, da er eine große private Spende aus Belgien erhalten hat. Nun regnet es durch und die Dächer müssten dringend repariert werden.
Unser Mitgefühl spüren wir am meisten für die 500 Schulkinder der Secondary School, die kein Geld für die Mittagsmahlzeit haben. Nur etwa 100 Schüler können sich die 5,50 € pro Trimester leisten um die einfache Mahlzeit von Mais und Bohnen zu bezahlen.
Die meisten Kinder müssen einen ganzen Schultag von 7:30 bis 16:00 Uhr ohne eine Mahlzeit auskommen. Wie die meisten Kinder in Ruanda bekommen sie nur eine Mahlzeit am Tag. Pater Simons Kinder haben Glück, da er das Mittagessen für sie bezahlt. Julia und ich beschließen ein neues Projekt auf den Weg zu bringen, wenn wir wieder zu Hause sind. Für nur 15,- € könnte ein Schüler ein ganzes Jahr lang an jedem Schultag eine Mittagsmahlzeit bekommen. Wie schnell geben wir bei uns in Europa mal eben 15,- € aus!? Vielleicht finden wir ja 500 Menschen, die einmal im Jahr 15,- € spenden!
Immer und überall wieder begegnen uns lachende und winkende Menschen. Sie leben so einfach, zum Teil so arm und sind doch so freundlich, so zufrieden und scheinen so glücklich zu sein. „Muraho!”, „Amakuru? ”, „Nimesa! ” – „Guten Tag! “, „Wie geht’s?“, „Mir geht’s gut!” Mit dieser Begrüßung haben wir sofort und überall Kontakt. So viel Freude und Begeisterung uns zu sehen, zu begrüßen, die Hände zu schütteln! Manchmal spielen wir mit den Kindern, sie singen und tanzen für uns, sie strahlen so viel Freude aus.
Wir fragen Pater Simons, ob wir drei seiner Mitarbeiter zu einer Tour durch in den Norden des Landes, zu den Vulkanen im Nationalpark an der kongolesischen Grenze einladen dürfen. Pater Simons gibt ihnen vier Tage frei und wir bekommen das Heimauto für unsere Reise. So fahren wir mit Raimond, Theoneste und Jean Claude durch die wunderschönen weiten Berglandschaften, Tee- und Bananenplantagen, Felder und durch Dörfer und kleinen Städte. In dem kirchlichen Gästehaus Fatima finden wir in der etwas größeren Stadt Ruhengeri Zimmer. Von hier aus starten wir zu Tagestouren in die Berge. Wir haben berührende Begegnungen mit Menschen.
An einem Platz, wo wir rasten, spielen wir mit einer Gruppe Kindern Fußball. Bei einer Wanderung zeigen uns Kinder einen Zugang zu den Nationalpark. Wir konnten den Eintritt von 100,- € pro Person nicht zahlen und so begnügten wir uns mit Elefantenspuren in der Erde, anstatt die Tiere in echt zu sehen. Einer der schönsten Augenblicke war für uns das Singen der Kinder hier auf dem Land. So ausgelassen, kraftvoll, mit so viel Spaß und Energie hab ich noch nie Kinder singen gehört und gesehen. An einem anderen Tag fuhren wir in die Berge mit Blick auf eine große Seenplatte. Unterwegs nahmen wir eine Gruppe Frauen mit und Julia und ich saßen mit ihnen hinten auf dem Pickup. Wieder sangen sie ihre Lieder. Oben in den Bergen besuchten wir ein Kloster der Stille. Die Klöster sind alle an paradiesischen gepflegten Orten und sie haben alle Gästehäuser, wo wir überall herzlich willkommen wurden.
Unsere Begleiter mussten wieder zurück nach Cyotomakara und Julia und ich reisen alleine weiter bis zum Kivusee. Hier haben wir eine Adresse von den Schwestern bekommen und landen wieder in einem Kloster, diesmal am Kivusee mit einem Zimmer mit Seeblick. Weil wir uns hier so wohl fühlen, bleiben wir länger als wir vorhatten. Auf einer Autofahrt hatte unser junger Chauffeur , den wir im Kloster kennengelernt hatten, einen Autounfall und so lande ich auf der Polizeistation um als Zeugin auszusagen, dass er korrekt gefahren ist.
Wir hoffen, dass er seinen Job als Chauffeur behält. Hier können wir uns ein bisschen von den vielen intensiven Erlebnissen, und Begegnungen erholen. Mit einem traditionellen Boot werden wir zu drei Inseln gebracht. Auf der ersten Insel leben Affen, einer klettert direkt in unser Boot und verzehrt genüsslich unsere mitgebrachten Bananen. Auf der zweiten Insel gibt es tausende von Fliegenden Hunden, sie sehen aus wie Riesenfledermäuse und hängen über unseren Köpfen an den Bäumen. Die letzte Insel hat einen wunderschönen Strand und wir schwimmen weit hinaus.
Eines Morgens bei einem frühen Spaziergang treffe ich auf ein kleines Mädchen mit zwei Wasserkanistern. Ich frage, ob ich ihr helfen kann und begleite sie zu ihrem Haus. Ich bin betroffen wie arm ihre Familie lebt. Hier treffe ich ihre Mutter mit ihrem Baby und drei weitere Kinder. Ich werde in ihre Lehmhütte eingeladen und bin erschrocken der Armut so nahe zu begegnen: Ein Haus ohne Türen und Fenstern, ohne Möbel außer einer kleinen Holzbank, als Kleiderschrank dient eine Leine an der Decke, über die einige Kleider hängen. Eine Matte am Boden scheint ihr Bett zu sein. Ich bleibe einige Zeit und erfahre, dass ihr Mann sie verlassen hat und sie nicht weiß, wie sie ihre Familie ernähren soll. Diese Familie, sowie auch das Leben ihrer Mutter, zwei Schwestern und deren Kinder im Nachbarhaus berührt mich sehr.
Ich lade die drei größeren Kinder ein, mit auf den Marktplatz zu gehen um Kleidung für sie zu kaufen. In einem Haufen Secondhand-Kleidung dürfen sich die Mädchen Kleider und T-Shirts aussuchen. Der ältere Bruder Fabrice wünscht sich so sehr Schuhe, die armen Kinder tragen normalerweise nur Plastiksandalen. Nun sucht er sich für 10,- € ein paar neue Turnschuhe aus und ist ganz glücklich. Für die Mutter und Großmutter kaufen wir afrikanische Stoffe, aus denen sie sich ihre traditionelle Kleidung wickeln. Zuletzt bringt das Motortaxi noch einen Sack Reis zu der Familie. Für sie ist eine Reismahlzeit etwas ganz besonderes und alle zehn Personen können sich nun sechs Wochen lang davon ernähren. Als wir mit diesen „Luxusgütern” ankommen, versammelt die Großmutter alle in ihrer armselige Hütte und sie beginnen laut zu beten, um Gott zu danken.
Eine Singfreundin gab mir vor der Reise Geld, um es einer bedürftigen Familie zukommen zu lassen. Ich gebe der Schwester Josefi ne im Kloster 160 ,- €, damit die Famili e sich ein ganzes Jahr lang Reis kaufen kann. Doch später denke ich an den Spruch „Gebe einem Armen einen Fisch, und er ist einen ganzen Tag lang satt. Lehre ihm das Fischen, so ist er ein ganzes Leben lang satt.” Mit dem 15-jährigen Sohn Fabrice und Schwester Josefine überlegen und organisieren wir ein Projekt für seine Familie, damit sie sich dauerhaft den Lebensunterhalt verdienen können. Die Mutter möchte gerne das Nähen lernen und für das gespendete Geld schaff en sie sich nun eine Singer-Tretnähmaschine an (80,- €) und die drei Frauen lernen das Nähen (Ausbildung 80,- €). Es gibt auf dem Marktplatz mehrere Näherinnen mit ihren Nähmaschinen, die den drei Frauen das Nähen beibringen können. So können die Frauen nun selbst mit ihrer Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienen und hoffentlich in Zukunft besser für ihre Familie sorgen.
Für weitere 4 Tage haben wir eine Ferienhütte an einem anderen Ort am Kivusee gemietet. Das erste und einzige Mal leben wir nicht in einem Kloster. Die letzte Woche jedoch wollen wir nochmal bei Pater Simons verbringen. Julia möchte mit den Waisen Interviews machen und sie über ihr Leben im Heim und ihre Zukunftswünsche befragen. Viele Kinder gehen weiter in die Schule von Ruhezi und so konnten wir sie alle in das Schwesternhaus einladen, um mit ihnen über ihr Leben zu sprechen. 30 Interviews und Fotos der Heimkinder folgen im letzten Kapitel. Uns wurde durch die Gespräche mit ihnen deutlich, welche Chancen diese Kinder durch das Leben mit Pater Simons hatten und wie sehr sie hoff en, dass die Paten ihnen auch weiter bei ihrer Ausbildung helfen.
Am Sonntag gehe ich zu Pater Simons zur Messe in die Dorfkirche. Die Kirche ist voll von jungen Menschen und Kindern, die mit so viel Freude singen, beten, klatschen und sich zu der Musik bewegen. Die Messe dauert zwei Stunden und keinem wird es langweilig. Rund um die Kirche treffen sich Menschen in kleinen Gruppen und ich erfahre, dass sich alle Ruander wöchentlich in den Dörfern, den Stadtteilen und auf dem Land treffen um ihre Probleme miteinander zu besprechen, Lösungen zu finden und sich gegenseitig zu helfen.
Man hilft sich wenn z. B. ein Haus oder Dach repariert werden muss, jemand krank ist oder jemand Geld braucht. Diese Gruppen werden von der Regierung aus in ganz Ruanda initiiert. Am letzten Sonntag im Monat treffen sich alle gruppenweise aus der Region und besprechen die Belange ihrer Regionen. Anschließend sind wohl 1000 Menschen in der Kirche zur Messe mit Pater Simons. Es werden Körbe und Säcke mit Lebensmittel zum Altar gebracht, die dann an die Armen verteilt werden können. Wir können viel von Ruanda lernen.
So zum Beispiel gibt es nirgends im Land Plastiktüten, sie sind verboten und der Einkauf geht auch mit Packpapiertüten, Körben oder Stofftaschen. Außerdem ist es überall sauber. Wir erfahren, dass alle Ruander am letzten Samstag im Monat für drei Stunden verpflichtet sind Gemeinschaftsarbeit zu leisten. Sie säubern ihre Straßen und ihr Viertel, selbst der Präsident Kagame macht es, sagt man uns. Bei einem Ausflug mit dem Motortaxi treffe ich auf eine große jubelnde Menschenmenge auf dem Land. Es ist eine Wahlveranstaltung der RPF, der Ruandesischen Patriotischen Front. Nachdem schrecklichen Völkermord 1994 in Ruanda hat die jetzige Regierung RPR den Frieden aufgebaut und eine enorme Entwicklung auf verschiedene Gebieten vorangetrieben. Die RPF ist die derzeit regierende politische Partei Ruandas.
Sie wird vom Staatspräsidenten Paul Kagame geführt. Sie regiert derzeit in einer Koalition mit anderen Parteien. Die Devise der Partei ist Einheit-Demokratie-Entwicklung. Man hilft sich wenn z. B. ein Haus oder Dach repariert werden muss, jemand krank ist oder jemand Geld braucht. Diese Gruppen werden von der Regierung aus in ganz Ruanda initiiert. Am letzten Sonntag im Monat treffen sich alle gruppenweise aus der Region und besprechen die Belange ihrer Regionen. Anschließend sind wohl 1000 Menschen in der Kirche zur Messe mit Pater Simons. Es werden Körbe und Säcke mit Lebensmittel zum Altar gebracht, die dann an die Armen verteilt werden können. Wir können viel von Ruanda lernen.
So zum Beispiel gibt es nirgends im Land Plastiktüten, sie sind verboten und der Einkauf geht auch mit Packpapiertüten, Körben oder Stofftaschen. Außerdem ist es überall sauber. Wir erfahren, dass alle Ruander am letzten Samstag im Monat für drei Stunden verpflichtet sind Gemeinschaftsarbeit zu leisten. Sie säubern ihre Straßen und ihr Viertel, selbst der Präsident Kagame macht es, sagt man uns. Bei einem Ausflug mit dem Motortaxi treffe ich auf eine große jubelnde Menschenmenge auf dem Land. Es ist eine Wahlveranstaltung der RPF, der Ruandesischen Patriotischen Front. Nachdem schrecklichen Völkermord 1994 in Ruanda hat die jetzige Regierung RPR den Frieden aufgebaut und eine enorme Entwicklung auf verschiedene Gebieten vorangetrieben. Die RPF ist die derzeit regierende politische Partei Ruandas. Sie wird vom Staatspräsidenten Paul Kagame geführt. Sie regiert derzeit in einer Koalition mit anderen Parteien. Die Devise der Partei ist Einheit-Demokratie-Entwicklung.
85% der Ruander haben im letzten Jahr Präsident Kagame wiedergewählt und sind einverstanden mit seiner Politik. Es gibt auch kritische Stimmen und nicht Alles findet Zustimmung bei den Menschen. Doch positiv ist: Präsident Kagame steht auf Seiten der Bevölkerung. Er hat Programme gegen die Armut eingeführt, z. B. bekommt jede arme Familie ein Wellblechdach von der Regierung bezahlt, wenn sie selbst die Wände aus Lehm oder Steine errichten. Überall in der Landschaft blinken die silbernen Dächer in der Sonne. Außerdem werden die Ärmsten krankenversichert und sie erhalten von der Regierung die Kosten für die Schule, wenn sie der untersten Kategorie 1 angehören. Es gibt nicht so viel Kriminalität durch eine große Präsenz von Polizei und Militär. Auch wenn es ein befremdliches Gefühl ist in den Städten bewaffnete Soldaten und Polizisten zu sehen, fühlten wir uns doch Tag und Nacht sicher, wo immer wir auch waren. Nun ist Kagame erst mal für weitere sieben Jahre Präsident und die Menschen haben Hoffnung auf zukünftigen Frieden.
Erst vor 23 Jahren gab es hier den schrecklichen Genozid, bei dem in nur 100 Tagen 800.000 Menschen getötet wurden. Wir hatten bei unserer Rundreise in den Bergen bei Kibuye eine der Genozid Gedenkstätte besucht und waren berührt von den Massengräbern, vielen Totenschädeln ausgestellt in Vitrinen, Tafeln mit unzähligen Namen von Toten. Wir konnten es gar nicht fassen und zusammenbringen, dass diese wunderbaren, freundlichen und friedlichen Ruander fähig zu solchen Gräueltaten waren. Bei den Recherchen, wie es zu diesen schrecklichen Völkermord kam, erfuhren wir von den Zusammenhängen und der Vorgeschichte.
Die Tutsi sind eine in den ostafrikanischen Staaten Ruanda und Burundi, sowie im östlichen Grenzgebiet der Demokratischen Republik Kongo lebende soziale Gruppe (Kaste), die infolge kolonialer Machtpolitik als Volksgruppe bzw. Stamm missverstanden wird. In vor kolonialer Zeit gab es in Ruanda und Burundi ein Nebeneinander der sozialen Gruppen der Hutu, Tutsi und Twa.
Die Unterscheidung zwischen Hutu und Tutsi wurde von den Kolonialmächten Deutschland und nach 1918 Großbritannien und Belgien verfestigt. Kriterium für die Aufteilung der Ruander war bei der 1934/1935 vorgenommenen Volkszählung beispielsweise der Umfang des Rinder-Besitzes: Hierbei war Tutsi, wer mehr als zehn Rinder besaß, und die anderen waren Hutu. Diese Maßnahme ermöglichte es den Kolonialmächten, eine einheimische Elite zu bilden, welche die verbliebene Bevölkerung, auch im Sinne der Kolonialherren, regieren konnte.
Diese ethnologisch fragwürdige Teilung der Bevölkerung führte zu starken Konflikten zwischen der Minderheit der Tutsi und den zahlenmäßig überlegenen Hutu, die sich nach Abzug der Kolonialmächte schließlich in lange anhaltenden gewaltsamen Auseinandersetzungen und mehreren Massentötungen der jeweils anderen Gruppe entluden. Der Konflikt fand 1994 seinen Höhepunkt mit dem Völkermord in Ruanda. Vom 7. April 1994 bis Mitte Juli wurden dabei zwischen 500.000 und 1.000.000 Tutsi und moderate Hutu ermordet. Als dieser Völkermord begann verließen alle US Friedenstruppen und fast alle Hilfsorganisationen, Botschafter, Entwicklungshelfer und Missionare das Land, um sich zu retten. 5500 Blauhelme hätten den Genozid in Ruanda verhindern können. Die Weltgemeinschaft sah jedoch weg. (Quelle Wikipedia)
Pater Simons verließ Ruanda nicht. “Ich konnte meine damals 200 Waisen doch nicht einfach dem Schicksal überlassen.” Da in seinen Heimen sowohl Hutu,- Twa,- und Tutsikinder lebten, wurde er zuerst von den feindlichen Attacken verschont. Pater Simons erinnert sich:
“An einem Tag kam ein Leutnant zum Heim um mich zu warnen. Die feindlichen Soldaten werden kommen um auch im Heim die Tutsi-Kinder zu töten. Vier seiner Jugendlichen gingen zu den Tutsi-Soldaten und bekamen das Versprechen ‘don’t be afraid, we save you’ (habt keine Angst, wir retten euch). Noch in der gleichen Nacht wurden alle Kinder geweckt um durch die Berge zu einem sicheren Ort zu flüchten. Damals lebten im Heim 60 Kinder unter 6 Jahre. Die größeren Kinder und Jugendlichen mussten sie auf die Schultern und an die Hand nehmen und sie durch ein Sumpfgebiet, durch Wälder und Berge zu bringen. Es war ein Wunder, dass keiner der Kinder weinte, denn der Geleitschutz der Tutsi-Soldaten im Abstand von alle 100 Metern war nur so lange gewährt, bis die Hutu-Milizen von der Flucht erfuhren, dann würde ein Gemetzel zwischen den Soldaten entfacht werden. Am Platz des Leutnants angekommen, bekamen wir unsere erste Zuflucht.
Am nächsten Tag fragte uns der Leiter für behinderte und blinde Kinder, ob wir auch seine 100 Kinder mit auf die Flucht nehmen können. So wuchs unsere Gruppe in der zweiten Fluchtnacht auf 300 Kinder und Jugendliche an. Die blinden Kinder konnten sich in der fremden Umgebung nicht mehr orientieren. Durch die schlimmen hygienischen Bedingungen entwickelten sich schwere Krankheiten, denn die Kinder tranken das schmutzige Flusswasser, in dem die Leichen schwammen. Jeden Tag starben 2–3 Kinder. Als wir nach 3 Tagen beim Roten Kreuz ankamen, sagte eine Schwester ‚Du bist krank Pater!’ Ich war so sehr beschäftigt und gefordert gewesen, dass ich meine Typhus-Erkrankung gar nicht bemerkt hatte. Die Kinder, Jugendlichen, meine Mitarbeiter und auch ich wurden von der französischen Hilfsorganisation versorgt und wir waren hier erst mal sicher und die Meisten haben überlebt. Nach zwei Monaten, als das Morden im Land aufgehört hatte, konnten die blinden und behinderten Kinder wieder in ihr Heim zurückkehren. Meine Kinder und ich zogen wieder ins Heim Cyotomakara ein.”
Während wir mit Pater Simons am Küchentisch sitzen und er davon erzählt, können wir es uns kaum vorstellen, dass dieser Mann all das erlebt hat. Er erzählt von verfolgten Tutsis, die bei ihm Zuflucht gesucht haben und sich im Heim, im Dach seiner Kapelle, versteckt haben. Letztlich hat man sie gefunden und ermordet und er selbst hat sie auf dem Heimfriedhof begraben. Er berichtet von den Kindern, die zu ihm kamen, nachdem ihre Eltern, oft vor ihren Augen, grausam dahin gemetzelt oder erschossen wurden. Viele der Kinder und Jugendlichen, die nach dem Genozid ins Heim kamen, sind traumartisiert. Fast in jeder Familie in Ruanda sind nach dem Genozid Tote zu beklagen. Oft sind es ganze Familien, die umgebracht wurden. Wie können diese Wunden jemals heilen? Wie können diese beiden Volksgruppen heute weiter zusammenleben, im gleichen Dorf, in der gleichen Straße, als Nachbarn?
Wir sprachen mit Pater Simons, den Mitarbeitern und Schwestern über die Jahre danach und erfuhren, dass es zwei wichtige Einrichtungen nach dem Völkermord gab. Die Gacaca-Gerichte (Zivilgerichte) und die Memorial-Week (Erinnerungs- Trauerarbeit). Die Tutsi spielten die dominierende Rolle bei der Aufarbeitung des Völkermordes in den bis 2012 bestehenden so genannten Gacaca-Gerichten.
Überall in Ruanda, auf dem Land, in den Dörfern und Städten trafen sich die Menschen nach dem Genozid zu den Gemeindegerichtshöfen, den Gacaca-Gerichten. Das Ziel war es, alle Täter des Genozids in Ruanda zu verurteilen. Sie sind einzigartig und ein groß angelegtes nationales Experiment eines gemeinschaftlichen Justizsystems. Als Folge des Genozids in Ruanda im Jahr 1994 brauchte das Land eine Lösung, um Gerechtigkeit in einem Staat einzuführen, der noch immer voller Täter war. Im Jahr 2002 gab es noch 115.000 Verdächtige, die auf eine Verhandlung ihrer Verbrechen in Verbindung mit dem Genozid warteten. Viele Juristen wurden während des Genozids ermordet und die Kapazitäten des Landes waren nicht ausreichend, um mit den Gefangenen fertig zu werden, die eng wie Sardinen in den Gefängnissen zusammen saßen.
Bei den regelmäßigen Gacaca-Treff en überall im Land sollte die Wahrheit ans Licht gebracht werden. Die Mörder aus dem eigenen Dorf wurden benannt und zu Gericht geführt. Strafgefangene Mörder wurden ins eigene Dorf geführt und mussten sich den Dorfbewohnern stellen und Mittäter benennen. Immer wieder trafen sich die Menschen, um Gerechtigkeit zu bewirken. Solange bis sie sicher waren, dass wirklich alle Mörder aus der Gemeinschaft bestraft wurden und Gerechtigkeit bewirkt wurde. Es ist wichtig, dass man weiß, man wird dafür bestraft, wenn man jemanden umbringt.
Vor 1994 war der Mord an einem Tutsi so etwas wie ein Bagatelldelikt. Es wurde nicht sonderlich strafrechtlich verfolgt. Doch es geht bei diesen Gacaca-Gerichten nicht nur um Verurteilung der Schuldigen und Verfolgung der Verdächtigen, sondern auch um soziale Heilung und Versöhnung. Es ist nicht leicht, denn die Traumata des Genozids sind noch immer tief in der ruandesischen Gesellschaft verankert. Doch die Hoffnung auf Gerechtigkeit wird größer je mehr die Wahrheit ans Licht kommt und die Gerichtsverfahren beschleunigt werden. Heute darf kein Ruander von Tutsi oder Hutu sprechen. „Wir sind alle Ruander, es gibt keine Volksstämme mehr in Ruanda“ fordert die Regierung.
Die weitere, vielleicht sogar noch schwierigere Arbeit aber war die Versöhnung. Wie kann man dem Mörder des Ehemannes, der Eltern, Großeltern und Kinder verzeihen? Dazu wurden wöchentliche Trauertreffen in jedem Dorf und in jedem Stadtteil inberufen. Zuerst war es nur sehr schwer möglich über die Gefühle zu sprechen und sie auszudrücken. Doch immer wieder trafen sich die Menschen, um über all das Schlimme zu sprechen, zu klagen und zu weinen. Immer und immer wieder wurde hier erzählt und gehört was geschehen ist. Die Trauer wird so gut es geht ausgedrückt, gesehen und gehört, die Klage, die Wut und die Tränen wurden nach außen gebracht. Bis heute treffen sich die Menschen in der Memorial-Week. Bei unseren Begegnungen kamen Julia und ich nicht leicht über diese Themen ins Gespräch, das scheint bei den meisten Menschen immer noch ein schweres Thema zu sein. Aber in dieser Memorial-Week verwandelt sich die versuchte Verdrängung und Tabuisierung in bewusste, kollektive Erinnerung und schonungslose Konfrontation.
Alle Menschen im Land kommen an allen Orten zusammen, um sich zu erinnern, um Versöhnung und Vergebung zu finden. Zeitzeugen berichten von ihrem Schicksal. Eine Woche lang gibt es in allen Medien nur Filme, Musik und Sendungen zu den Grausamkeiten und Morden. Es werden keine anderen Filme und keine anderen Sendungen erlaubt. Jeder soll sich mit dieser Geschichte auseinandersetzen und der Verstorbenen gedenken.
Es gibt überall Gedenkveranstaltungen und Trauermärsche, Nachtwachen an den entsprechenden Orten des Geschehens. Alkoholausschank und heitere Musik sowie das Tanzen ist in dieser Woche im ganzen Land verboten. Nur langsam können die Täter und Opfer in den Dörfern wieder aufeinander zu gehen, manchmal ist es auch gar nicht möglich. Doch der Glaube hilft den Menschen manchmal dabei, vergeben zu können. Diese Trauerrituale haben sehr bedeutend dazu beigetragen, dass heute die Tutsis und Hutus in Frieden zusammenleben.
Es ist für mich sehr eindrücklich zu erfahren, welche Kultur des Gedenkens und Erinnerns in Ruanda vorherrscht. Die Regierung setzt auf radikale Benennung der Fakten und Ereignisse, sie investiert viel Geld, um einen Rahmen für das Erinnern und Gedenken für alle Betroffenen im Land zu schaff en. Sie kämpft gegen das Vergessen, Verdrängen und Verharmlosen. Diese Politik findet großen Anklang bei den Menschen. Das gemeinschaftliche Erinnern scheint den Umgang mit dem eigenen Schicksal für viele einfacher zu machen. Wenn ich an unsere Geschichte in Deutschland denke, dann hätten wir auch solche Trauerrituale gebraucht. Wie viel ist in der Kriegsgeneration meiner Eltern nicht gefühlt und ausgedrückt, sondern verdrängt und verschwiegen worden? Auch da könnten wir wieder von den Ruandern lernen.
Auf unserer Rundreise durch das Land sind wir immer wieder beeindruckt von der paradiesischen Landschaft, den „1000 Hügeln”, der vielfältigen Natur mit exotischen Bäumen, Blumen, Tieren und dem großen Kivusee. Vor Allem die Begegnungen mit den vielen Kindern überall haben mein Herz berührt. Die Babys sind fest auf dem Rücken ihrer Mütter gebunden und ich hörte fast nie ein Kind schreien. Wo immer wir vorbeifahren oder entlanggehen winken und lachen Kinder am Wegesrand. Sie scheinen so viel glücklicher zu sein, obwohl sie kaum etwas besitzen. Sie strahlen und lachen uns an und wenn sie singen und tanzen sprudelt ihre Lebensfreude. Wir sehen kein einziges Spielzeug, keinen Kinderwagen. Sie spielen mit einem selbst gebastelten Fußball, einem Reifen, mit Flaschendeckel ein Spiel auf der Erde oder sie gestalten Figuren aus Lehm. Sie helfen beim Tragen von Wasser, sammeln Holz, Zweige oder Kuhdung und sind fröhlich dabei.
Was ich auch als eindrückliche Erfahrung mitnehme, ist die Begeisterung für den Glauben. Die Kirchen sind gefüllt und mit Leidenschaft und Freude singen, beten und tanzen die Menschen im Gottesdienst. Früher brachten die Europäer den christlichen Glauben nach Ruanda. Nun können die ruandesischen Priester den Glauben zu uns nach Europa bringen, denn es gibt so viele junge Priester und Ordensschwestern. Auch drei von Pater Simons Waisen wollen Theologie studieren und Priester werden. Allein in der kleinen Diözese Butare gibt es 120 Priester. Einer davon ist Jean Claude Buhanga. Er wuchs im Kinderheim mit Pater Simons auf und ist jetzt Priester in Butare, in der größten Kathedrale Ostafrika. Er schreibt selbst seine Geschichte für uns auf.
Er wird Pater Simons in Zukunft bei seinen weiteren Aufgaben unterstützen und ihn auch vertreten, wenn Pater Simons die Arbeit nicht mehr schaffen kann. Ich vertraue ihm voll und ganz und kann nun beruhigt wieder nach Hause reisen, denn das Paten-Projekt ist in Pater Simons und Jean Claudes Händen gut aufgehoben. Wir möchten das Land nicht verherrlichen, denn es gibt auch sehr viele Probleme hier.
Und doch ist es ein wunderschönes und an Menschlichkeit, Freundlichkeit und Glauben sehr reiches Land. Wir werden die ständigen freudigen Begrüßungen wie „Muraho” und „Amakuro” vermissen und uns immer an die Langsamkeit, die Herzlichkeit, das kraftvolle Singen, das freudige Tanzen und die Offenheit der Menschen in Ruanda erinnern. Es war eine wunderbare Reise.
Murakose! Danke!
Seit 2008 initiierte Alwine Deege gemeinsam mit dem Komitee „Kelmiser in der 3. Welt“ zwei Kinderhilfsprojekte in dem kleinen Dorf Ruhenzi bei Nyanza in den Bergen Ruandas.
Beide Projekte werden vom Komitee „Kelmiser in der 3. Welt“ und Alwine Deege ehrenamtlich verwaltet und von dem jungen Priester und ehemaligen Waisen Jean Claude Buhanga und der Schuldirektorin Schwester Bernadette vor Ort umgesetzt.
Übernehmen Sie eine Patenschaft für die Ausbildung eines Waisen. Hunderten Kindern konnte bisher durch kontinuierliche Spenden geholfen werden eine Ausbildung zu machen.
Unterstützen Sie das Schulessensprojekt für die 700 Schüler der Secondary School in Ruhenzi, die die Kosten für die Malzeit nicht aufbringen können.
Wenn Sie selbst als Multiplikator weitere Spender*innen suchen möchten, fordern Sie die Infomail und/oder Infomaterial an.
Bei Fragen schreiben Sie eine Mail oder rufen Sie an.
Ansprechpartnerin: Alwine Deege
Wenn Sie eine Spende überweisen möchten geben Sie bitte alle hier gewünschten Kontaktdaten an. Besonders hilfreich, für alle die am Projekt beteiligt sind, wäre die Einrichtung eines Dauerauftrages. Bei einer Überweisung von mehr als 40 € jährlich geben Sie bitte ihre Postadresse an, dann erhalten Sie im Frühjahr eine Spendenquittung. In Belgien ist das Projekt gemeinnützig anerkannt.